Der Begriff „Welpenschutz“ ist einer der bekanntesten und zugleich am häufigsten missverstandenen Begriffe im Bereich der Hundehaltung und -erziehung. Viele Hundehalter, selbst einige erfahrene Tierfreunde, gehen davon aus, dass Welpen automatisch von allen erwachsenen Hunden geschützt und wohlwollend behandelt werden. Diese Annahme kann jedoch nicht nur zu gefährlichen Situationen für den Welpen führen, sondern auch langfristige Schäden in seiner sozialen Entwicklung verursachen.
Was versteht man unter „Welpenschutz“?
Der Begriff „Welpenschutz“ stammt ursprünglich aus Beobachtungen des Sozialverhaltens von wildlebenden Hunden und Wölfen. Innerhalb eines funktionierenden Rudels, in dem alle Mitglieder soziale Bindungen zueinander haben, genießen die eigenen Welpen einen gewissen Schutz durch die erwachsenen Tiere. Dies bedeutet, dass sich die adulten Tiere gegenüber den Welpen geduldig und tolerant verhalten, selbst wenn diese sich ungestüm oder sozial unerfahren verhalten.
Diese Toleranz dient dazu, den Welpen das Überleben und eine positive soziale Entwicklung im Schutz der Gruppe zu ermöglichen. Innerhalb des Rudels haben die Welpen also einen Sonderstatus, der ihnen erlaubt, Fehler zu machen, spielerisch Grenzen auszutesten und wichtige soziale Regeln zu erlernen — ohne dabei gleich ernsthaft gemaßregelt oder verletzt zu werden.
Wichtig: Dieser Schutzmechanismus gilt ausschließlich innerhalb der eigenen sozialen Gruppe, also dem eigenen Rudel. Er beruht auf sozialen Bindungen, Verwandtschaftsverhältnissen und Rangordnungen.
Warum Welpenschutz unter fremden Hunden nicht existiert
Die weitverbreitete Annahme, dass Welpen generell von allen Hunden geschützt oder freundlich behandelt werden, ist falsch. Für einen fremden Hund ist ein Welpe in erster Linie ein fremdes Tier. Ob und wie dieser Hund auf den Welpen reagiert, hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- Individuelle Sozialisationserfahrungen
- Charakter und Temperament des Hundes
- Erfahrungen mit Welpen
- Aktuelle Stimmung und Situation
- Gesundheitszustand und Stresslevel
Während einige erwachsene Hunde sehr freundlich und nachsichtig auf fremde Welpen reagieren, zeigen andere Desinteresse, Unbehagen oder sogar aggressives Verhalten. Vor allem unsichere, gestresste, territoriale oder traumatisierte Hunde können auf das ungestüme, oft distanzlose Verhalten eines Welpen ablehnend bis bedrohlich reagieren.
Der sogenannte „Welpenschutz“ greift hier also nicht. Fremde Hunde fühlen sich nicht automatisch für den Schutz und die Erziehung des Welpen verantwortlich, da keine soziale Bindung besteht.
Die Gefahren einer falschen Annahme
Wenn Hundehalter davon ausgehen, dass ein Welpe automatisch durch einen Welpenschutz gesichert ist, kann das ernsthafte Konsequenzen haben — sowohl körperlich als auch psychisch. Zu den häufigsten Gefahren gehören:
1. Aggressives Verhalten fremder Hunde
Ein fremder Hund, der sich durch das forsche Verhalten eines Welpen bedroht oder genervt fühlt, kann ihn anknurren, maßregeln oder sogar beißen. Besonders gefährlich wird es, wenn der Welpe noch keine Signale lesen kann und die Drohungen des erwachsenen Hundes nicht versteht.
2. Überforderung des Welpen
Ein Welpe ist in seinen sozialen und emotionalen Fähigkeiten noch nicht ausgereift. Zu heftige oder unklare Begegnungen mit fremden Hunden können ihn verunsichern, überfordern oder erschrecken. Dies kann zu Angstverhalten, Meideverhalten oder sozialer Unsicherheit führen.
3. Falsche Sozialisierung
Wird ein Welpe wiederholt negativ mit fremden Hunden konfrontiert, lernt er, dass Artgenossen unberechenbar oder gefährlich sind. Dies kann langfristig zu Angst, Unsicherheit oder sogar aggressivem Verhalten gegenüber anderen Hunden führen.
Verantwortungsvoller Umgang mit Welpen und Sozialkontakten
Die wichtigste Aufgabe eines verantwortungsvollen Halters ist es, seinem Welpen kontrollierte, positive und schrittweise soziale Erfahrungen zu ermöglichen. Dies bedeutet konkret:
1. Begegnungen gezielt steuern
Welpen sollten in den ersten Wochen und Monaten gezielt an sozial erfahrene, ruhige und welpenfreundliche Hunde herangeführt werden. Hierbei sollte die Körpersprache beider Hunde aufmerksam beobachtet und die Begegnung notfalls abgebrochen werden.
2. Die Körpersprache der Hunde verstehen
Hundebesitzer sollten lernen, die Signale und die Körpersprache von Hunden zu lesen, um frühzeitig erkennen zu können, ob ein fremder Hund freundlich, unsicher, gestresst oder ablehnend reagiert.
3. Welpen nicht unkontrolliert auf andere Hunde zulaufen lassen
Selbst wenn der eigene Welpe freundlich ist — fremde Hunde sind es möglicherweise nicht. Welpen sollten nur auf Erlaubnis des anderen Halters und unter dessen Zustimmung Kontakt zu anderen Hunden aufnehmen.
4. Positive Sozialisierung fördern
Der Welpe sollte möglichst viele positive, stressfreie und unterschiedliche Begegnungen mit Artgenossen, Menschen und Umweltreizen machen, damit er zu einem souveränen, sozialen und sicheren Hund heranwächst.
Fazit
Der sogenannte „Welpenschutz“ ist ein soziales Schutzverhalten, das nur innerhalb eines funktionierenden Rudels auf Grundlage von Bindung und Zugehörigkeit existiert. Im Kontakt mit fremden Hunden kann und darf man sich darauf nicht verlassen. Die Annahme eines allgemeinen Welpenschutzes führt häufig zu riskanten Situationen und kann die gesunde Entwicklung des Welpen ernsthaft gefährden.
Verantwortungsbewusste Hundebesitzer sollten sich dieser Tatsache bewusst sein und die Sozialisierung ihres Welpen gezielt, behutsam und gut geplant steuern. Nur so kann ein sicherer, vertrauensvoller und souveräner Umgang mit Artgenossen im späteren Hundeleben gelingen.