Belohnung oder Bestechung
Hundeschule Ennstal
ÖKVÖRV

Irgendwo in der Lüneburger Heide vor 20 Jahren. 15 Beagle und ihre Menschen machen eine Wanderung. Einige Mutige wagen es, ihre Hunde abzuleinen. Die freigelassenen Beagle toben fröhlich herum, beachten allerdings ihre Menschen kaum noch. Alle, bis auf einen! Dieser eine kommt zuverlässig, wenn er gerufen wird! Wer diese „dickköpfige", unabhängige, jagdbesessene und liebenswürdige Rasse näher kennt, weiß, dass das bei einem Beagle beinahe eine kleine Sensation ist. Ich staune und erkundige mich bei seinem Besitzer, wie er das macht. Ganz einfach, sagt er, jedes Mal wenn sein Hund auf Ruf kommt, bekommt er einen Frolic-Ring.

 

Meine Reaktion? Ich bin enttäuscht! Das, so denke ich, ist doch kein „richtiger" Gehorsam! Mein Hund (der übrigens nur sehr schlecht auf Ruf kommt!) soll nicht wegen irgendwelcher Leckerchen gehorchen, sondern wegen... Ja, warum soll ein Hund eigentlich gehorchen? Darüber hatte ich damals eigentlich gar keine genaue Vorstellung. Ich hatte nur das vage Gefühl, über Futterbelohnung erreichter Gehorsam sei irgendwie „billig" und befürchtete wohl auch, ein solcher Gehorsam sei weit weniger zuverlässig als ein über Druck und Zwang erreichter. Daher belohnte ich damals meinen ersten Hund, die Beageline „Candy", zwar für kleine Tricks wie Pfötchen geben u.ä. mit Futter, nicht jedoch für „richtige" Übungen wie Sitz oder Platz. Was meinen Sie, war das Ergebnis? „Candy" hasste zeitlebens die Grundgehorsamsübungen und führte die meisten wichtigen Alltagskommandos nur sehr mangelhaft und widerwillig aus, wenn überhaupt. Tricks jedoch machte sie sicher und mit Begeisterung. Kein Wunder!

 

Im Nachhinein wundere ich mich, wie „vernagelt" ich damals war. Zu meiner Entschuldigung kann ich nur sagen, dass ich seitdem viel dazu gelernt habe. Erstaunlicherweise ist jedoch die Frage „Futterbelohnung in der Hundeausbildung, ja oder nein?" auch heutzutage unter Hundefreunden und Trainern noch immer ein Reizthema, an dem sich die Geister scheiden. Manche zufällig vorbeikommenden Hundehalter sind z.B. richtiggehend entrüstet, wenn sie sehen, dass in unseren Übungsgruppen die Hunde mit Futter belohnt werden, so als sei das etwas Unmoralisches oder gar Gefährliches. Da ich früher selber so gedacht habe, kann ich mir in etwa vorstellen, was die Gründe dafür sind. Nämlich eine stark vermenschlichende Sichtweise auf den Hund und die Tatsache, dass das Wissen darüber, wie man mit Leckerchen in der Ausbildung wirklich etwas erreichen kann, noch nicht allgemein verbreitet ist. Im Folgenden möchte daher ich die typischen Vorurteile gegen eine Ausbildung mit Futterbelohnung der Reihe nach durchgehen und entkräften und aufzeigen, wie man Leckerchen effektiv einsetzen kann.


„Mein Hund soll es für mich tun, nicht wegen der Leckerchen"
Wenn Sie so denken, fragen Sie sich mal ganz ernsthaft folgendes: Warum sollte Ihr Hund eigentlich jederzeit ohne zu zögern auf Ihren Ruf hin kommen oder im Regen Platz-Bleib machen, obwohl er doch viel lieber mit seinen Hundefreunden spielen oder nach Mäusen schnuppern würde? Etwa weil er Sie so liebt oder aus Dankbarkeit, weil er es bei Ihnen doch so gut hat? Willkommen in der Wirklichkeit! Ihr Hund ist ein Tier und hat als solches keinerlei Begriff von „Pflichtgefühl", „Dankbarkeit" und ähnlichem. Er wird nicht auf viele seiner Bedürfnisse und normalen Verhaltensweisen verzichten und statt dessen Ihren Kommandos gehorchen, nur „weil er Sie liebt". So eine Beziehung würde nicht einmal unter Menschen auf Dauer funktionieren. Und unter uns gesagt - würden Sie etwa täglich zur Arbeit gehen, wenn es kein Gehalt gäbe, nur weil Ihr Chef ein so netter Mensch ist? Na bitte!

 

Die ernüchternde Wahrheit ist, dass ein Hund nur zwei Gründe fürs Gehorchen kennt: entweder tut er es, weil er weiß, dass er dadurch Unannehmlichkeiten vermeiden kann oder weil er hofft, dass er dafür etwas Angenehmes bekommen wird. De facto arbeiten denn auch Hundehalter, die meinen, dass es auch ohne Leckerchen (oder andere Belohnungen wie z.B. spielen) geht, durchweg mit relativ viel Zwang und Druck, oft ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein. Ein Beispiel: bei einem Seminar behauptet eine Teilnehmerin hartnäckig, ihr Hund möge weder Leckerchen noch Spielzeug. Das mache aber nichts, denn der Hund tue sowieso alles nur für sie. Sie beklagt sich allerdings darüber, dass der Hund stur ist und beim bei Fuß gehen nachhängt. Die Beobachtung zeigt, dass sie hart kommandiert, häufig an der Leine ruckt und schnell ungeduldig wird. Sie arbeitet also hauptsächlich über Druck und Zwang. Der Hund ist gestresst, lustlos und gedrückt. Die Seminarleiterin bittet sich den Hund aus, um eine Übung mit ihm zu zeigen. Sie bietet ihm als Motivationsmittel ein normales, handelsübliches Hundeleckerchen an, das der Hund mit Begeisterung annimmt. Und - er arbeitet flott, aufmerksam und freudig mit der Trainerin.


„Leckerchen brauche ich nicht. Streicheln und gelobt werden genügt meinem Hund als Belohnung!"
Hmm. Sind Sie da sicher? Dann hätten Sie viel Glück, dass Sie einen so ungewöhnlich leicht erziehbaren Hund erwischt haben. Streicheln ist nämlich nur für sehr wenige Hunde auch im „Freiland" bei Ablenkung eine wirklich attraktive Belohnung. Gucken Sie nur mal genau hin, wenn in der Welpengruppe so ein kleiner Purzel gerufen und bei seiner Ankunft als „Belohnung" gestreichelt wird - er guckt wie ein 14 jähriger, dem die Tante mit einem: „Bist du aber groß geworden" über den Kopf strubbelt. Und tut genau dasselbe wie dieser 14jährige: er versucht, sich möglichst schnell zu verdrücken. Der Mensch glaubt also, er hat seinen Hund belohnt, der Hund war aber eher genervt als erfreut - obwohl derselbe Hund sich vielleicht abends beim Fernsehen durchaus mit großem Genuss durchknuddeln lässt! Wiederum: Menschen, die meinen, ihrem Hund sei Streicheln immer Belohnung genug, arbeiten in aller Regel bei genauem Hinsehen mit recht viel Zwang und Druck, ohne sich selbst darüber Rechenschaft abzulegen.

Dasselbe gilt fürs Loben mit der Stimme. Auch dass man nett mit ihm spricht oder in hohen Tönen „quietscht", mag der Hund in der Regel zwar ganz gern, aber als alleinige „Prämie" für z.B. Gehorsam auf Kommandos ist ihm das in aller Regel nicht genug. Lob erfüllt in der Ausbildung hauptsächlich zwei Funktionen: entweder hat der Hund gelernt, dass es eine „handfeste" Belohnung ankündigt: Futter, Spiel, fröhliches herumtoben mit seinem Menschen usw. Oder er hat die Erfahrung gemacht, dass er im Moment keine Angst vor Strafe haben muss, wenn er gelobt wird und „freut" sich deshalb darüber. Und das letztere ist meist der Fall bei Hundeführern, die Belohnungen ablehnen.


„Leckerchen brauche ich nicht, denn mein Hund gehorcht, weil ich der Boss bin!"
Schön und gut, wenn Sie und Ihr Hund damit zurecht kommen... Machen Sie sich aber klar, dass das, was Sie von Ihrem Hund wollen, meistens gar keine Berührungspunkte mit der Rangordnung in einem Rudel und ihrer Umsetzung und Funktion hat. Ein Alphawolf würde seinen „Untergebenen" doch nie verbieten, zu jagen oder sich im Mist zu wälzen. Er würde auch nicht von ihnen verlangen, Steh aus der Bewegung zu machen oder exakt bei Fuß zu gehen. Deshalb ist es äußerst fragwürdig, Gehorsam auf künstliche Kommandos wie „Sitz" oder „Komm" aus dem Rangverhältnis zwischen Mensch und Hund ableiten zu wollen. Der Hund sieht es mit Sicherheit nicht so, dass er solchen Kommandos gehorcht, weil Sie der Alpha sind, sondern er gehorcht einfach, weil er weiß, dass er sonst „Druck" bekommt. Vom ideologischen Ballast befreit bedeutet die Einstellung „mein Hund gehorcht, weil ich dominant bin" in der Praxis daher wieder, dass er im Grunde hauptsächlich mit Zwang, Strafe und negativer Verstärkung ausgebildet und erzogen wird. Darüber sollten Sie sich im Klaren sein.


„Leckerchen sind Bestechung, aber Spiel als Belohnung ist okay"
Dies ist eine interessante Variante des Vorurteils, dass eine Ausbildung mit Futterbelohnung die Beziehung zwischen Hund und Halter korrumpieren würde. Interessanterweise halten Leute, die diese Meinung vertreten, immer Rassen mit überbordendem Spiel- und Beutetrieb... Obwohl es technische Unterschiede in der Handhabung gibt - Futter ist in der Regel leichter zu handhaben als Spiel - , ist es natürlich egal, was als Belohnung genommen wird. Wichtig ist vor allem, dass es etwas ist, das der Hund in dem Moment wirklich gern haben will, denn sonst ist es keine echte Belohnung und somit auch nicht effektiv. Gut, wenn man einen Hund hat, der gerne spielt oder ihn dazu bringen kann, dass er es tut. Aber nicht alle Hunde und Hundeführer (!) sind gleich gestrickt. Wenn man einen Hund hat, der eher auf Futter „steht", ist das ebenso in Ordnung. Und warum auch sollte man beim Training eines Tieres auf das universelle Hauptmotivationsmittel im Leben verzichten und ihm sein Futter gratis geben, statt damit etwas Nutzbringendes anzufangen? Alle möglichen Tiere werden heutzutage über Futterbelohnungen mit großem Erfolg für alle möglichen Aufgaben trainiert. Warum sollte das bei Hunden also nicht gehen?


„Mein Hund mag keine Leckerchen!"
Das wäre natürlich ein Argument. Aber in mindestens 95 % der Fälle müsste es eigentlich eher heißen: „Ich mag keine Leckerchen benutzen!" Denn die betreffenden Hunde nehmen oft durchaus interessiert ganz normale Leckerchen an. Die Besitzer hatten es aber vielleicht bisher nur mit dem täglichen Trockenfutter versucht, das zu Hause womöglich noch den ganzen Tag im Napf bereit steht. Klar, dass das dann nicht sonderlich attraktiv ist. Ehe man nicht z.B. Trockenfisch, Käse oder gekochtes Hühnerfleisch ausprobiert und notfalls auch mal eine Mahlzeit hat ausfallen lassen, kann man also nicht sagen, der Hund interessiere sich nicht für Leckerchen. Dabei kann man bei den allermeisten Hunden, die anfangs solch „extreme" Futterbelohnungen brauchen, schon nach wenigen Wochen auf normale Leckerlis übergehen. Anfängliches Desinteresse an Leckerchen liegt nämlich oft eher daran, dass der Hund unter Stress steht oder auch einfach noch nicht gelernt hat, sich zu konzentrieren und sich sein Essen zu verdienen. Bessert sich das im Laufe der Ausbildung, brauchen auch die Leckerchen nicht mehr so ausgefallen zu sein.


"Mit Futter kann ich nicht arbeiten, dann bettelt mein Hund nur noch oder regt sich zu sehr auf"
Tatsächlich kann man gelegentlich auch mal zuviel Motivation haben. In einem meiner Fortgeschrittenenkurse klappte z.B. eines Abends bei einem an sich schon gut ausgebildeten Beagle das Platz-Bleib überhaupt nicht. Er lag jeweils nur wenige Sekunden still, dann begann er zu bellen oder sprang auf und produzierte alle möglichen Kunststückchen und Übungen, ohne dazu aufgefordert zu sein. Meine Nachfrage ergab, dass der Besitzer Wurststückchen als Belohnung verwendete und der Hund den ganzen Tag noch nichts gefressen hatte. Er war daher so gierig, dass er seine Belohnung gar nicht abwarten konnte und sozusagen versuchte, die Sache etwas zu beschleunigen. In diesem Falle wäre eine normale Mahlzeit vor dem Training oder Knäckebrot statt Wurst besser gewesen! Solche Fälle von Übereifer sind aber das geringere Problem. Man kann einfach die Motivation etwas herunterfahren, muss allerdings bei solch übereifrigen Hunden auch selber sehr konsequent sein und darf wirklich nur das belohnen, was man auch verlangt hat und was der Hund korrekt ausgeführt hat. Im Grunde ist es ja auch schön, wenn ein Hund sich so leicht motivieren lässt.

Anfänglich unkontrolliertes Verhalten liegt aber auch oft daran, dass der Hund (der vielleicht noch nie mit Futter für Gehorsam belohnt worden ist), noch gar nicht begriffen hat, dass er durch seine eigenes (Wohl-)Verhalten die begehrten Leckerchen bekommen kann. Er lebte bisher vielleicht in dem Glauben, er könne sie für stupsen, anspringen, süß gucken usw. bekommen oder Menschen verteilten Leckereien nach Lust und Laune, unabhängig vom Verhalten ihrer Hunde. Hilfreich dafür, dass der Hund die wahren Zusammenhänge schnell begreift, sind Übungen, bei denen das Futter zwar in Reichweite ist, aber der Hund erst etwas bestimmtes ohne direkten Kontakt zum Leckerchen tun muss, um es sich zu verdienen. Man kann etwa ein Futterbröckchen gut sichtbar in der einen Hand halten, es dem Hund aber erst geben, wenn er mit der Nase an die andere, leere Hand stupst. Versucht er, sich das Leckerchen direkt zu nehmen, schließt man einfach die Hand und verhindert so, dass er es bekommt. Natürlich ist es auch wichtig, ihm konsequent nichts zu geben, wenn er bettelt und allzu aufdringlich wird oder anfangs womöglich versucht, sich die Leckerchen einfach zu grabschen. Hat Ihr Hund die Spielregeln erst einmal begriffen (was meist sehr schnell geht), wird er ebenso eifrig gehorchen, wie er zuvor gebettelt hat und auch nicht mehr versuchen, Ihnen in die Tasche zu kriechen.

Eine andere sehr empfehlenswerte Sache ist der Gebrauch eines sogenannten Brückensignals, z.B. eines Clicker oder eines kurzen, deutlichen Lobwortes wie „Fein!" oder „Super!", mit dem man jeweils die Leckerchengabe ankündigt. D.h. in dem Moment, in dem Ihr Hund etwas tut, für das er Ihrer Meinung nach ein Leckerchen verdient, sagen Sie einfach nur „Fein!" und erst danach (allerdings möglichst schnell danach) geben Sie ihm das Futterbröckchen. Das Wort „Fein!" überbrückt so die Zeit zwischen dem „lobenswerten Augenblick" und der tatsächlichen Übergabe der Belohnung (die ja oft nicht exakt im richtigen Moment möglich ist) und hilft so dem Hund, zu verstehen, wofür genau er das Leckerli bekommt.


"Dann gehorcht der Hund doch nur, solange ich Futter in der Hand (in der Tasche) habe"
Dazu kann es tatsächlich leicht kommen, wenn man Futter zu oft oder zu lange als Lockmittel benutzt. Davon, dass man den Hund mit einem Leckerchen in der Hand „an der Nase herumführt", hat er nämlich an sich noch nicht viel gelernt - außer eben dem Leckerchen zu folgen. Denn für ihn sind es zwei ganz verschiedene Dinge, mit oder ohne Leckerchen in der Hand zu folgen. Den Übergang muss er erst lernen und solange das nicht erfolgt ist, kann man auch noch nicht davon sprechen, dass die Ausbildung abgeschlossen ist. Das aber machen sich viele Hundehalter nicht klar. Sie gehen anfangs z.B. mit einem Leckerchen als Lockmittel in der Hand bei Fuß. Nach einiger Zeit glauben sie dann, der Hund wisse ja nun, was „bei Fuß" bedeutet, lassen das Leckerchen plötzlich weg und stellen dann vielleicht enttäuscht fest, dass ihr Hund nun plötzlich gar nicht mehr oder nur noch sehr mangelhaft „gehorcht". Das ruft dann den falschen Eindruck hervor, mit Leckerchen als Hilfsmittel im Hundetraining könne man nur Halbheiten erreichen.

Das größte Problem beim Ausschleichen von Futter als Lockmittel ist aber weniger der Hund sondern vielmehr der Hundehalter: er muss es aushalten, dass sein Hund dabei einen kleinen Leistungseinbruch erleidet. Statt ebenso eng bei Fuß zu gehen wie bisher, als man noch ein Leckerchen in der Hand hatte, an dem der Hund mit der Nase „klebte", geht er nun, wo die Hand leer ist, vermutlich eher wieder in größerem Abstand und längst nicht so aufmerksam mit. Er ist irritiert, weil die Bedingungen sich auf einmal geändert haben und zweifelt daran, dass sich das Spielchen für ihn noch lohnt. Daher muss er unbedingt trotzdem noch eine Weile oft belohnt werden (nun aus der Tasche), selbst wenn seine Leistung vorübergehend etwas schlechter ist. Beim Ausschleichen von Lockmitteln hilft außerdem die oben beschriebene Verwendung von Brückensignalen und Übungen, bei denen man etwa den Leckerchenvorrat gut sichtbar auf einen Stuhl legt und der Hund trotzdem erst seine Übung ausführen muss, ehe er etwas davon bekommt. Er lernt so, dass es egal ist, wo die Leckerchen sind, und dass er sie nicht bekommt, weil man sie zufällig in der Hand oder in der Tasche hatte, sondern weil er etwas gut gemacht hat. Und erst wenn das gegeben ist, kann man wirklich vernünftig mit Futterbelohnung arbeiten.


„Ich kann doch nicht ewig mit Fleischwurst in der Tasche rumlaufen." oder: „Mit Leckerchen will ich gar nicht erst anfangen, sonst muss ich ja später auch immer mit Leckerchen belohnen."
Mal ehrlich - wäre es wirklich so schlimm, zu dem Hausschlüssel und der Hundeleine, an die man sowieso denken muss, jeweils auch ein paar Leckerchen einzustecken, wenn Sie mit dem Hund herausgehen? Sie wissen ja nun, dass es nicht wirklich „ewig" Fleischwurst sein muss. Ich glaube, hinter diesem Einwand steckt meist eher die Besorgnis, dass der Hund später keinen „Handschlag" tun würde, wenn er nicht für jede Kleinigkeit etwas bekommt oder sogar immer mehr und mehr fordern würde. Interessanterweise habe ich auch noch nie jemanden getroffen, der gesagt hätte: „Mit Leinenrucken will ich gar nicht erst anfangen, sonst muss ich ja später auch immer wieder an der Leine rucken." Dabei ist genau das der Fall. Denn die Motivation - sei sie positiv oder negativ - muss tatsächlich ein Hundeleben lang immer mal wieder aufgefrischt werden. Wie bei uns Menschen übrigens auch. Oder wie würden Sie reagieren, wenn Ihr neuer Chef zu Ihnen sagen würde: „Nun, ich sehe, Sie haben sich gut eingearbeitet, dann kann ich ja jetzt die Gehaltszahlungen einstellen! Was!? Sie wollen auch weiterhin für Ihre Arbeit bezahlt werden? Aber ich habe Sie doch ganze drei Monate lang bezahlt - das muss ja wohl reichen!"

Dennoch haben Sie es, wenn Sie ein „Belohnungsmuffel" sind, besser als Ihr Chef. Das Faszinierende ist nämlich, dass sich zumindest bei Hunden gerade durch das Reduzieren von Belohnungen nicht nur der Gehorsam nicht verschlechtern muss, sondern sogar eine Leistungssteigerung erzielt werden kann. Doch auch hier gilt: gewusst wie. Wenn man dem Hund etwas neues beibringt, ist es wichtig und richtig, ihm zu Anfang für jede erfolgreiche Ausführung ein Leckerchen zu geben. Denn so begreift er die Zusammenhänge („Ach so, wenn ich x tue, folgt darauf y!") am schnellsten. Sobald diese Klippe genommen ist (was unter günstigen Bedingungen und bei einfacheren Übungen wie „Sitz" nur einige Tage dauert) kann und sollte man anfangen, schon mal hin und wieder nur zu loben und kein Leckerchen mehr zu geben. Auf diese kleine Enttäuschung reagieren zwar manche Hunde anfänglich etwas „deprimiert" und entmutigt (dann muss man bei ihnen mit dem Ausschleichen der Leckerchen sehr behutsam vorgehen), die meisten jedoch sofort noch eifriger, nach dem Motto: „Das verstehe ich nicht - es hat doch bisher immer geklappt! Ich versuche es am besten gleich noch mal!"

Ziel des Abbaus der Belohnungen ist schließlich der Übergang zur Belohnung nach dem „Glücksspielprinzip", denn dadurch behält der Hund einmal Gelerntes besonders hartnäckig bei. Ein Paradebeispiel dafür ist das Betteln am Tisch. Hat die Familie dem Betteln anfangs nachgegeben und beschließt nun, es dem Hund konsequent abzugewöhnen, wird er bereits nach wenigen Tagen begriffen haben und sich vom Tisch trollen. Doch wehe, jemand ist inkonsequent und steckt ihm hin und wieder doch etwas zu - das Bettelverhalten kann dadurch so hartnäckig werden, dass der Hund buchstäblich wochenlang auch ohne Häppchen am Tisch ausharrt. Versuche an Ratten im Labor haben ergeben, dass die Tiere sogar noch besser „arbeiteten", wenn sie nur etwa jedes vierzigste Mal für eine bestimmte Tätigkeit belohnt wurden, als wenn sie für jede einzelne Ausführung etwas bekamen. So etwas geht aber nur durch allmähliches und systematisches Herunterfahren der Belohnungshäufigkeit, nicht indem man ein paar Wochen lang jedes Mal belohnt und dann ganz abrupt kaum noch. Und: die Belohnung muss aus Sicht des Tieres wirklich zufällig kommen! Wenn Ihr Hund z.B. schon daran, ob Sie vor dem Rufen in die Jackentasche greifen oder nicht, erkennen kann, ob er diesmal ein Bröckchen bekommen wird, ist das kein „Glücksspiel", sondern Berechnung!

 

Und wann ist ein Leckerchen nun wirklich Bestechung? Dann, wenn Sie es Ihrem Hund schon geben, bevor er das von Ihnen Gewünschte getan hat - oder womöglich sogar, obwohl er Ihr Kommando nicht ausgeführt hat, in der Hoffnung, dass er es dann doch noch tun wird. „Hier hast du ein Leckerchen, nun sei aber auch schön brav!" - das funktioniert bei einem Hund mit Sicherheit nicht, denn damit belohnen Sie de facto seinen Ungehorsam oder sein Zögern.


Regeln zum Umgang mit Leckerchen:

 

Sie sollten

  • die Leckerchen von der täglichen Futterration abziehen
  • Ihrem Hund beibringen, Leckerchen sanft aus der Hand zu nehmen
  • betteln und aufdringliches Verhalten konsequent ignorieren
  • Leckerchen nicht zu lange als Lockmittel benutzen
  • Leckerchen bei neuen Übungen anfangs großzügig geben und die Belohnungshäufigkeit später allmählich abbauen und die Leckerchengabe möglichst mit einem bestimmten Signal (Click, Lob) ankündigen.

 

Die Leckerchen sollten

 

  • wirklich attraktiv
  • so klein wir möglich
  • eher weich und nicht krümelig
  • ...und abwechslungsreich sein


Dieser Beitrag erschien im Heft 12/ 2001 der Zeitschrift "DER Hund"

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