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Hunde denken mit
Kognition im Tierreich - neueste wissenschaftliche Tests belegen umstrittene Thesen
Mit ihrer langen Zunge schlabberte Penny den Bourbon- Whiskey aus einem stehen gelassenen Glas. Natürlich hatte man ihr das strengstens verboten! Schon oft genug war die Alkohol-Diebin angetrunken durch die Wohnung getorkelt, erinnert sich der kanadische Psychologe Stanley Coren an seine Kindheit. Diesmal hatte Corens Mutter die Boxer-Dame auf frischer Tat ertappt. Jetzt stand das Tier an der hinteren Wand der schmalen Küche und betrachtete sein wutentbranntes Frauchen. Dieses schleuderte im Zorn ihren ledernen Schlüsselbund auf den Hund. Getroffen jaulte Penny laut auf. Stanley strich seinem Tier tröstend über den Kopf: »Komm, wir gehen in mein Zimmer, dann bist du aus der Schusslinie «, schlug er der Hündin vor und klatschte sich auf die Schenkel, damit sie auch folgen würde. Als sie zusammen die Küche durchquerten, machte Penny einen weiten Bogen um den Schlüsselbund. Doch plötzlich blieb sie stehen und starrte auf das Strafi nstrument. Für einen Moment schien sie »wie in Gedanken versunken«, beschreibt Coren die Szene. Dann machte die Hündin kehrt, schnappte sich die Lederhülle und schoss aus der Küche heraus ins Wohnzimmer. Ziel: das Sofa. Einen Blick über die Schulter werfend, quetschte sich Penny hinter die Couch, legte den Schlüsselbund ab und schob ihn sorgsam außer Sichtweite. Schließlich begleitete sie Coren mit einer »unendlich entspannteren Körperhaltung « in sein Zimmer. 

 Unzählige ähnliche Geschichten, gepaart mit den Abenteuern diverser Filmund Fernsehhunde von Rin Tin Tin über Lassie bis Kommissar Rex, prägen das Bild vom Hund als bellender Intelligenzbestie, die uns ein ums andere Mal verblüfft. Auch Coren, Psychologieprofessor an der Universität von British Columbia in Vancouver und inniger Hunde-Liebhaber, zieht Parallelen: »Hätte ein Kleinkind so gehandelt, würden wir sagen, es habe verstanden, dass der Schlüsselbund den Schmerz verursacht hat.« Und dass die Waffe wieder benutzt werden kann, weshalb man sie besser versteckt. Rein kognitiv wären damit Prozesse wie Planung und Vorstellungskraft verbunden – im weitesten Sinne.

 

Derlei Annahmen erschienen Verhaltensforschern jahrzehntelang geradezu absurd, gewiss noch unter dem Nachhall der berühmten Versuche von Iwan Pawlow aus dem Jahr 1899. Der russische Physiologe hatte einem Hund wieder und wieder einen Futterhappen präsentiert, während gleichzeitig eine Klingel schrillte. Rasch verband das Tier das Geräusch mit der Nahrung. Bald sabberte es auch nach dem Klingeln, ohne das Futter zu sehen. Mit dem Pawlow'schen Hund verbindet sich das andere Extrembild unseres kläffenden Gefährten – ein bloßer Bio-Roboter, der wie ein Uhrwerk seinen angeborenen Instinktprogrammen folgt und dem der Mensch durch intensiven Drill oder mit Belohnung und Strafe einige ebenso primitive wie stereotype Verhaltensweisen antrainieren kann. also Verstand. 

 

Langsam wandeln sich die Zeiten jedoch. Zwar nimmt sich die Zahl der handfesten Studien über die Kognition des Hundes noch immer bescheiden aus. Doch was Biologen und Psychologen in jüngster Zeit verkünden, ist Anlass genug für einen Paradigmenwechsel: Der Hund schneidet in vielen Lerntests besser ab als Schimpansen oder Gorillas und entwickelt vor allem exzellente Kommunikationstalente. »In gewissem Sinne benimmt sich der Hund menschlich«, betont auch Vilmos Csányi von der Eötvös- Lorand-Universität in Budapest. Der Biologe leitet dort die weltweit größte Arbeitsgruppe, die den inneren Kosmos des beliebten Haustiers wissenschaftlich beleuchtet. Der Partner auf vier Pfoten entwickelt laut Csányi in gewisser Weise sogar humanoide Intelligenz: »Jedes Tier benimmt sich auf seine Weise intelligent in seiner natürlichen Umgebung. Und was ist die natürliche Umgebung eines Hundes? Die des Menschen.« 

 

Augenfällig wird dies vor allem im »Dialog « zwischen dem Menschen und seinem schwanzwedelnden Gefährten. Csányis Mitarbeiter Ádam Miklósi meint, nach den jüngsten Versuchen das Geheimnis ihrer Kommunikationsfähigkeit gelüftet zu haben. Das Budapester Team hatte in einem Behälter unbeobachtet ein Stück Fleisch versteckt. Im Test stand der Vierbeiner dann etwa anderthalb Meter entfernt, an der Leine von Herrchen oder Frauchen. Sobald der tierische Proband auf den Behälter blickte, nahmen die Forscher den Deckel ab und ließen ihn den Happen fressen. Das Ganze wurde zehnmal wiederholt, um den Lernerfolg zu festigen. In der folgenden Versuchsreihe sollten die Hunde – insgesamt neun an der Zahl – den Behälter selbst öffnen und sich die Beute holen, was sie auch rasch lernten. Jetzt kam das entscheidende Experiment. Die Versuchsleiter verschlossen den Deckel fest am Behälter. Nach etwa einer Minute erfolglosen Bemühens blickten fast alle Hunde ihren Besitzer anhaltend an. Es schien, als wollten sie fragen: »Was ist da los? Hilf mir!« Hunde suchen den Blickkontakt zum Menschen: Auge in Auge – unter Menschen gilt dieses Verhalten als möglicher Startschuss für eine Unterhaltung oder als Mittel, um ein Gespräch am Laufen zu halten.
In einer Vergleichsstudie absolvierten neun von Menschen großgezogene Wölfe dasselbe Versuchsprogramm. »Im Prinzip erleben diese Wölfe einen klassischen Hunde-Alltag mit Menschen «, erklärt Miklósi. Im Gegensatz zu den Hunden schaute aber fast keiner der zahmen Wölfe den Pflegeeltern in die Augen. Sie ignorierten deren Anwesenheit, obwohl sie gleich nach der Geburt an Menschen gewöhnt worden waren. Zudem können Hunde menschliche Hinweise besser verstehen als ihre wilden Vettern.


Bei einer zweiten Studie versteckten die Forscher nämlich das Futter unter einem von zwei Behältern. Dann tippten Frauchen oder Herrchen direkt auf den Behälter oder aber zeigten im Abstand von fünf oder fünfzig Zentimetern mit dem Finger darauf. Während die Hunde alle Gesten verstanden, kapierten die Wölfe allein den Wink mit dem Zaunpfahl, sprich: wenn der Mensch direkt auf den Behälter klopfte. »Früher menschlicher Kontakt verbessert nur bis zu einem gewissen Grad die Lernfähigkeit junger Wölfe für unsere Kommunikationssignale«, resümiert Miklósi. Dass die Tiere die unmittelbare Berührung des Behälters zu deuten wissen, überrascht ihn nicht. Während ihres bisherigen Lebens hatten die Wölfe oft genug beobachten können, dass die menschliche Hand und Nahrung oft nahe beieinander vorkommen. Um aber einen entfernten Fingerzeig zu begreifen, müssten die Tiere nicht nur auf den Futter-Container blicken, sondern auch auf den Oberkörper des Menschen. Wölfe vermeiden dies jedoch. So bleibt für sie die Aufgabe selbst nach intensiver Sozialisation mit dem Menschen unlösbar. 

 

Ein winziger Wink genügt
Die Signale des Homo sapiens zu lesen – diese Fähigkeit hat der Mensch dem Hund im Laufe der Domestizierung schon früh angezüchtet, glaubt Miklósi. Die kognitiven Besonderheiten wären demnach in den Genen des Hundes verankert. Beobachtungen von Wissenschaftlern der amerikanischen Harvard-Universität und des Max-Planck-Instituts (MPI) für evolutionäre Anthropologie in Leipzig bestätigen dies: Selbst Hundewelpen, die nie mit Menschen zusammen gelebt haben, verstanden den Test mit dem Fingerzeig. Der Nachwuchs von Wölfen hingegen versagte kläglich und war auch nicht da rauf zu trimmen, mit menschlicher Hilfe fündig zu werden. »Die sorgfältige Domestikation über Jahrtausende lässt sich nicht im Zeitraffer wiederholen«, urteilt MPI-Direktor Michael Tomasello. Nach den Studien der ungarischen Forscher verstehen Hunde sogar kompliziertere Gesten, etwa einen Wink mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf die gegenüberliegende Körperseite. Zudem erkennen sie mit dem Fuß ausgeführte Hinweise. »Sie können also die ursprüngliche Fingergeste auf den Fuß übertragen«, sagt Miklósi. Übrigens: Schimpansen und Gorillas, die nächsten stammesgeschichtlichen Verwandten des Menschen, bestehen alle diese Prüfungen nicht. Gleichermaßen scheitern Menschenaffen an der Interpretation menschlicher Augensignale, wie Experimente der Leipziger Wissenschaftler belegen. Hunde indes registrieren schon, wenn Frauchen nur den Blick direkt auf oder sogar über einen Container mit einem Leckerbissen richtet. Offensichtlich verstehen sie den Bezug der Augen zu einem Objekt. 

 

In einem Raum hatten die Wissenschaftler Hundekuchen auf den Boden gelegt. Dem jeweiligen Vierbeiner wurde aber verboten, davon zu naschen. Doch dann verließen alle anwesenden Menschen das Zimmer. Achtmal führten die Forscher jedes Tier so in Versuchung. »Und jedes Mal dauerte es nur ein paar Sekunden, bis die Hunde schwach wurden«, erklärt Studienleiter Josep Call. 

Doch die Tiere achteten nicht nur darauf, ob sie allein waren. Eine Forscherin blieb nach dem Fressverbot im Zimmer: Mal spielte sie mit einem Gameboy, mal saß sie mit geschlossenen Augen auf einem Stuhl, kehrte dem Hund den Rücken zu – oder aber sah den Hund unentwegt an. Das Ergebnis: Schien die Person abgelenkt, liefen die Hunde schnurstracks zur Leckerei. »Nur der Blickkontakt hinderte die meisten daran, das Futter zu klauen«, sagt Call. 
Wähnten sie sich hingegen beobachtet, schlichen die Hunde in weitem Bogen an den Kuchen heran. Immer wieder linsten die Schlawiner dabei zum Menschen, als wollten sie taxieren, ob der sie kontrolliert. »Keine Frage«, sagt Call, »das Verhalten des Hundes kennzeichnet kognitive Besonderheiten, die allein mit der ständigen Präsenz des Menschen seit Tausenden von Jahren zu tun haben.« Die Entwicklung vom Wolf zum Hund ließ genug Zeit für die kognitive Umrüstung der Gene: Nach neuen Erkenntnissen zähmten vor etwa 15 000 Jahren Menschen in Ostasien eine Hand voll Wölfe und legten damit den Grundstein für eine einzigartige Beziehung. Peter Savolainen und seine Mitstreiter vom Königlichen Institut für Technologie in Stockholm untersuchten das Erbgut von 654 Hunden und 38 Wölfen, um herauszufinden, wann und wo die Vorfahren der geliebten Vierbeiner lebten. 

 

Vom Wolf zu den ersten prähistorischen Stadthunden
Dazu wertete Savolainen ein Stück aus der so genannten mitochondrialen DNA der Hunde aus. Dieses Erbgut wird nur von Müttern an ihre Kinder weitergegeben. Alle Änderungen sind auf zufällige Mutationen zurückzuführen, die mit relativ konstanter Häufigkeit stattfinden. Der Vergleich der DNA-Sequenzen ermöglicht deshalb Rückschlüsse auf den Hunde-Stammbaum: Je ähnlicher das Erbgut zweier Hunde, desto enger verwandt dürften sie miteinander sein. Aus der Zahl der Mutationen lässt sich sogar abschätzen, wann die letzten gemeinsamen Vorfahren gelebt haben. Und das Muster aus geografischer Verteilung und Verwandtschaftsgrad ergibt, wo diese sich aufgehalten haben. Nach den Berechnungen stammt die Population aller Hunde von mindestens fünf weiblichen Wölfen ab, wobei drei Linien den Ursprung von 95 Prozent aller Hunde bilden. Alle Linien sind in China entstanden, glaubt das Team. Wahrscheinlich war die Zähmung von Wölfen dort vor 15 000 Jahren sogar gängige Praxis. Auch archäologische Ausgrabungen von Hundeknochen weisen darauf hin, dass Mensch und Hund vor 14 000 Jahren zusammenfanden. Zu dieser Zeit hüllte sich der Mensch noch in Felle, stand aber kurz davor, sesshaft zu werden und Ackerbau zu betreiben. Der Hund als Partner kam da gerade recht.


Michael Tomasello entwirft ein dreistufiges Szenario, wonach der Mensch zunächst jene Wölfe züchtete, deren Verhalten ihm zusagte: nichtaggressive, zutrauliche Exemplare. Das Resultat waren prähistorische »Stadthunde«, die den Abfall des Menschen fraßen. Die zutraulichsten vermehrten sich in der Nähe seiner Siedlungen; schnuckelige Welpen wurden Spielgefährten der Kinder, aber auch nächtliche Wächter. In Stufe zwei registrierte der Homo sapiens, dass der Hund zum Schafehüten und als Jagdgehilfe taugte. Die Tiere lernten, den Befehlen ihres menschlichen »Leitwolfs« zu folgen. In den vergangenen 500 Jahren schließlich züchtete der Mensch aus dem Allrounder 400 Spezialisten – zu seinem Nutzen oder seinem Pläsier. Das Resultat: der erfolgreichste Sozialschmarotzer aller Zeiten. Während heute einige hundert Millionen Hunde die Erde bevölkern, warten auf die Spezies Wolf mit weltweit 170 000 Exemplaren eher düstere Zeiten. Angesichts seines überragenden evolutionsbiologischen Erfolgs und seiner Popularität mag es erstaunen, dass die kognitive Verhaltensforschung den Hund als Studienobjekt jahrzehntelang weitgehend mied. Wenn Fragen tierischer Intelligenz und Lernfähigkeit auf der Agenda standen, dann ging es um Schimpansen oder Gorillas, den evolutionsgeschichtlich nächsten Verwandten des Homo sapiens.
In Untersuchungen der 1960er und 1970er Jahre wurde der Hund gar zur Kontroll-Spezies für »wirklich« interessante Studienobjekte wie Wolf, Schakal oder Koyote degradiert. Auch Charles Darwin hätte derlei Ignoranz wohl verwundert. In seinem Jahrhundertwerk vom »Ursprung der Arten« widmete er der Domestikation ein ganzes Kapitel – und erkannte, wie sehr menschlicher Einfluss auch das Verhalten eines Tieres verändern kann. Doch der Ethologie des 20. Jahrhunderts, die das Verhalten von Tieren unter natürlichen Bedingungen beschreibt, erschien gerade das Ökosystem des Hundes nicht ganz geheuer. »Dabei hat der evolutionäre Prozess der Domestikation nur die Umwelt der Spezies Hund hin zur menschlichen Familie verschoben«, sagt Vilmos Csányi. So avancierte unser bester Freund zum Teil einer gemischten Gruppe. Dies macht allerdings die Erforschung seiner sozialen Intelligenz doppelt schwierig, weil man beide Partner im Blick haben muss. Schon von seinem Urahnen, dem Rudeltier Wolf, mit einer ausgeprägten »sozialen Ader« ausgestattet, wurde der Hund wie keine zweite der domestizierten Arten (Pferd, Schaf, Ziege, Katze oder Kuh) bei der Züchtung immer »menschlicher« – und zwar noch mehr als bis dato angenommen. Wie wichtig etwa die Bindung zur Bezugsperson ist, haben die ungarischen Wissenschaftler mit einem Standardtest aus der Psychologie zweifelsfrei nachgewiesen.


Der »Strange Situation Test« ermittelt, wie eng ein Baby mit seiner Bezugsperson verbunden ist. Kleinkind und Mutter lernen einen neuen Raum kennen. Ist die Bindung zwischen beiden von Sicherheit geprägt, verhält sich das Kind auch in der ungewohnten Umgebung neugierig. Verlässt die Mutter den Raum, gerät das Baby in Panik, jammert, weint, lässt sich aber meist von einem anwesenden Fremden mehr oder minder beruhigen. Kommt sie zurück, ist der Unbekannte sogleich abgemeldet. Nach Versuchen mit über fünfzig Hunden zeigte sich: Die Verhaltensmuster der Hunde gleichen denen menschlicher Babys. »Hunde sind genauso an ihre Bezugsperson gebunden wie ein menschliches Kleinkind«, befindet Studienleiter József Topál. Verschwand Herrchen, wurden die Vierbeiner ängstlich und unsicher, fingen an zu bellen und warteten an der Tür. Dies erklärt auch, warum die Vierbeiner in alten Kognitionsexperimenten oft hundsmiserabel abschnitten. Denn sie wurden meist ohne ihre Bezugsperson getestet.


1980 etwa beschrieb der US-Biologe Harry Frank einen Wolf, der einen kompliziert zu bedienenden Türriegel öffnete, nachdem er einen anderen Artgenossen dabei beobachtet hatte. Hunde aber hätten den Trick selbst nach Jahren nicht kapiert. Franks Schluss: Zwar lernen Hunde zu gehorchen und seien auch trainierbar. Doch ginge es darum, ein Problem zu lösen, schlage der Wolf den Hund um Längen. Angesichts der schützenden Hand des Menschen bringe diese Form der Intelligenz für den Hund eben keine Überlebensvorteile. Gepaart mit dem Befund, dass das Gehirn des Hundes kleiner ist als das seines Urahnen, fütterten Franks Resultate scheinbar perfekt die lange Zeit gängige Theorie, dass die Domestizierung eine Art kognitiven Rückschritt des Hundes im Vergleich zu seinem wilden Ahnen bewirkt habe.
Nun wackelt die These gewaltig. Erstens bedeutet Hirngröße nicht alles. »Und zweitens«, sagt Miklósi, »sollte man die kognitiven Leistungen des Hundes nur im Kontext seiner sozialen Gruppe beleuchten. «Hunde seien in ihrem Alltag sehr wohl im Stande, bestimmte Probleme ohne Drill zu lösen, sofern sie nur Herrchen oder Frauchen in der Nähe wissen. »Das Potenzial der Hunde kann sich nur in ihrer sozialen Gruppe entfalten«, proklamiert Csányi – und genau dort, vor Ort in der Familie, experimentieren die Budapester Forscher mit Kollege Bello.

 

Herrchens Liebling
So baten Miklósi und seine Mitstreiter 28 Hundebesitzer, einen Fragebogen auszufüllen, der die Zuneigung zu ihren besten Kumpanen beleuchtete: Wie oft darf der Hund ins Bett kommen? Feiern Sie den Geburtstag Ihres Hundes? Wie emotional verbunden fühlen Sie sich Ihrem Tier? Und vieles mehr. Anschließend sollten die Hunde allein lernen, durch einfaches Drücken eines Hebels an eine Futterbelohnung zu kommen. Resultat: Je enger die Beziehung zwischen Besitzer und Tier war, desto ungeschickter stellte es sich an. Doch die Leistungsunterschiede schwanden, als die Besitzer ihre Lieblinge ermunterten. »Hunde mit einer engen Bindung begreifen das Problem durchaus«, schließt Miklósi, »sie zeigen nur ein abhängiges Verhalten.«
Ein anderes Beispiel: Im Garten ihres Besitzers lebende Hunde lösten eine Futterbeschaffungsaufgabe schneller als Hunde, die ständig im Haus weilen. Doch wieder nivellierten sich die Unterschiede, als der Mensch das Tier verbal anfeuerte. Warum? In Häusern lebende Hunde haben offenbar eine andere Strategie entwickelt: Sie warten darauf, dass Herrchen ihre Probleme löst. 

 

Blindes Vertrauen
Zur Vollendung reift die Beziehung zwischen Mensch und Tier bei Blinden und ihren Führhunden. Traditionsgemäß läuft die Ausbildung nach dem Muster der klassischen Konditionierung – der Hund ist Befehlsempfänger, der erlernte Verhaltensstereotype abspult. Die ungarischen Ethologen haben Blinde und ihre Hunde über Dutzende von Stunden auf der Straße gefilmt. Beide Partner bewegten sich schnell und sicher und gingen jedem Hindernis aus dem Weg. »Perfekt«, schwärmt Ádam Miklósi. Doch die Ergebnisse der Studie überraschen: Je mehr sich Blinder und Blindenhund aneinander gewöhnten, desto eher kam es auch zu spontanen Entscheidungen. Einige Elemente des antrainierten Verhaltens änderten sich oder verschwanden sogar ganz. Dass nur einer der beiden bestimmte, wo es lang ging, kam fast nie vor. Sensibel ist vor allem der Zeitpunkt, an dem Hund und Mensch starten, stoppen oder sich drehen. In diesen Momenten wechselte die Entscheidungsgewalt unablässig. Mal gehorchte der eine, mal der andere. »Keinem anderen Tier lässt sich ein solcher Wechsel antrainieren«, sagt Csányi. Das Verhältnis zwischen Mensch und Blindenhund gleiche damit menschlicher Kooperation.


Dass die Domestikation die mentalen Fähigkeiten von Hunden im Vergleich zum Wolf bereicherte, glaubt auch Mark Bekoff von der University of Colorado in Boulder (USA). Alle Tiere lernen wichtige soziale Verhaltensmuster, indem sie miteinander spielen. Schon sehr junge Hunde aber profitieren vom Spiel mit Menschen, weil sie früh von ihrer Mutter und ihren Geschwistern getrennt werden. Diese besondere Spielfähigkeit, vermutet Bekoff, sei inzwischen genetisch fixiert. Denn in einer Studie hat der Biologe beobachtet, dass Hundewelpen viel abwechslungsreicher miteinander spielen als der Nachwuchs von Wölfen oder Koyoten. So häufen sich Indizien, die dem Hund eine besondere Art der Kognition im Tierreich bescheinigen – bedingt durch die Domestikation. Beispielsweise haben Hunde ein grundsätzliches Verständnis von Objekten, im Fachjargon Objektpermanenz genannt.
Der Beweis: Vor den Augen der Hundeprobanden verstauten die Forscher ein Spielzeug in einem fahrbaren Container und verschwanden damit kurz hinter einem Sichtschirm. Danach öffneten sie den Container. War dieser leer, suchten die Tiere zielgerichtet hinter dem jeweiligen Sichtschutz. Hunde wissen also genauso wie Menschenaffen, dass sich Dinge nicht einfach in Luft auflösen, wenn sie aus dem Blickfeld verschwinden. Trotzdem suchen die bellenden Intelligenzbolzen manchmal nach Objekten, die überhaupt nicht vorhanden sind. »Da könnte man natürlich sagen: ziemlich blöd«, sagt Miklósi, »aber anscheinend machen sie das wider besseres Wissen.« Denn auch als die Forscher gar nichts im Container verstauten, taten die bellenden Probanden manchmal so, als sei der Gegenstand hinter dem Schirm versteckt: »Sie spielen«, meint der ungarische Hundenarr. Das deute auf eine sehr spezielle Fähigkeit hin, nämlich ein Verständnis menschlicher Verhaltensregeln. Genau das zeigte auch die so genannte Hindernisaufgabe. Dazu bauten die Kognitionsforscher einen hohen Zaun auf, der V-förmig ein Stück Fleisch umschloss. Durch eine leicht zu durchschlüpfende Öffnung konnten die Hunde den Happen dennoch rasch erhaschen. Als jedoch die Forscher das Loch abdichteten, fanden die Vierbeiner keine Lösung für das Problem, obwohl sie das Hindernis leicht hätten umgehen können. Erst als sie einen Menschen dabei beobachten durften, adaptierten die Versuchstiere die Strategie.
Mehr noch: In einem anderen Experiment lernten Hunde durch Beobachtung ihres Sozialpartners, dass ein Ball aus einem Behälter rollt, wenn man einen Hebel drückt. Der Mensch benutzte dafür natürlich seine Hand; der Hund nicht, wie erwartet, eine Vorderpfote – sondern die Schnauze. Derlei Pfiffigkeit findet Hundekenner Stanley Coren nicht überraschend.
»Die Wissenschaft «, prophezeit der Autor, »wird wohl nie ganz verstehen, was Hunde über Kommunikation, Problemlösen, Vergangenheit, Zukunft, Gott, Zeit und Philosophie wissen.« 

 

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